Barrierefreiheit aktivierenBarrierefreiheit aktivieren

Herausforderung ADHS
Diagnose und Therapie im internationalen Vergleich

13. November 2022

Berlin, 14.11.2022 – Die Bewertung einer ADHS im Rahmen der Diagnosestellung spielt für die Behandlungsmöglichkeiten eine große Rolle. Hilfestellung und Empfehlungen dafür geben die ADHS-Leitlinien. Im Rahmen der von Takeda ausgerichteten Online-Veranstaltung „ADHD. Diagnosis & Therapy around the world – past, present, future“ erläuterte Prof. David Coghill, Dundee, die Unterschiede der australischen Leitlinien im Hinblick auf Diagnose und Behandlungsempfehlungen im internationalen Vergleich. Prof. Alexandra Philipsen, Bonn, Prof. Andreas Reif, Frankfurt und Prof. Tobias Banaschewski, Mannheim, sprachen zudem über nicht-medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten einer ADHS, die Bedeutung des Geschlechts bei Komorbiditäten sowie den Einfluss von Stigmatisierungen.

„Die Diagnose sowie Behandlung von ADHS zeigt sich im internationalen Vergleich mit sehr großen Differenzen“ betonte Coghill zu Beginn seines Vortrags. Vergleicht man die ADHS-Leitlinien einzelner Länder, fallen Unterschiede insbesondere im Hinblick auf Diagnoseverfahren und Behandlungen auf [1]. Eine Untersuchung verschiedener Screening-Tools für ADHS zeigte, dass diese zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit ADHS bei Betroffenen erkennen, jedoch hohe Fehlerquoten aufweisen und damit eine Überdiagnostizierung von ADHS bewirken können [2]. Dementsprechend empfehlen die australischen Leitlinien kein allgemeines ADHS-Screening auf Bevölkerungsebene, definieren jedoch bestimmte Risikogruppen, bei denen ein Screening sinnvoll wäre. Dazu gehören Personen mit psychiatrischen Erkrankungen oder neurologischen Entwicklungsstörungen [3]. „Die Bewertung von ADHS bleibt ein schwieriges Thema“ so Coghill. „Wichtig ist, dass sie in Gesprächen mit den Patient:innen erfolgt und nicht allein durch einen Fragebogen.“ Da eine ADHS zudem in vielen Fällen mit Komorbiditäten auftritt, sollte die Bewertung nicht allein die ADHS, sondern auch andere psychiatrische Erkrankungen sowie neurologische Entwicklungsstörungen berücksichtigen. „Wurde eine ADHS diagnostiziert, ist es besonders wichtig, die Patient:innen ausführlich über ihre Erkrankung und verschiedene Behandlungsmöglichkeiten aufzuklären, damit diese gemeinsam mit den Behandler:innen fundierte Therapieentscheidungen treffen und einen individuellen Therapieplan erstellen können“ erläuterte der Experte. Er rät dabei insbesondere zu multimodalen Behandlungskonzepten. Während medikamentöse Therapien besonders dabei helfen können, die Kernsymptome einer ADHS-Erkrankung zu reduzieren, eignen sich nicht-pharmakologische Behandlungsmethoden wie Eltern-Trainings oder Psychotherapien vor allem bei der Behandlung von Symptomauswirkungen. Die australischen sowie die deutschen Leitlinien empfehlen hinsichtlich einer medikamentösen Behandlung Stimulanzien als first line Therapie [3,4].

Nicht-medikamentöse Behandlungsformen der ADHS

„Die Evidenz für eine medikamentöse Behandlung einer ADHS ist exzellent nachgewiesen“ betonte Philipsen zu Beginn ihres Vortrags [5]. Wie die Multimodal COMPAS Studie belegt, eignet sich eine pharmakologische Behandlung besonders für die Kern-Symptome einer ADHS [6]. „Eine nicht-pharmakologische Behandlung ist vor allem hinsichtlich negativer psychosozialer Konsequenzen einer ADHS, niedrigem Selbstwert und emotionalen Störungen zu empfehlen“ betonte die Expertin. Zwar empfehlen die Leitlinien Stimulanzien als Mittel der ersten Wahl, jedoch wird vor allem zu einer Kombination aus pharmakologischen und nicht-pharmakologischen Behandlungsmethoden geraten [4]. Eine Studie bekräftigte zudem, dass die Kombination aus einer Gruppentherapie und einer gleichzeitigen medikamentösen Behandlung sowohl die Therapieerfolge als auch die Zufriedenheit der Patient:innen deutlich erhöhen kann [7]. Zu den nicht-pharmakologischen Behandlungsmethoden gehören vor allem verschiedene Formen der Verhaltenstherapie sowie die Neurofeedbacktherapie. Dabei wird mithilfe von EEG-Geräten die Hirnaktivität der Patient:innen gemessen [8]. Allgemeines Ziel nicht-pharmakologischer Therapieformen ist vor allem die Verbesserung der kognitiven Funktion, der Verhaltenskontrolle sowie der Selbstregulation.

Geschlecht und Komorbiditäten bei ADHS

„Komorbiditäten stellen bei adulter ADHS ein dominierendes Bild dar“ so Reif. „In der Praxis begegnen uns nur selten Patient:innen ohne andere Erkrankungen.“ ADHS besitzt eine geschlechtsspezifische Ausrichtung, die sich mit dem Alter mehr und mehr ausgleicht. In der CoCA-Studie wird die Epidemiologie von Komorbiditäten bei vorliegender ADHS im Hinblick auf Geschlechtsspezifität untersucht. Dazu werden vorliegende populationsbasierte Stichproben aus Deutschland, Norwegen, Schweden und Dänemark sowie eine Befragung aus den Niederlanden analysiert. Wie die Auswertung des deutschen Datensatzes belegte, haben ADHS-Patient:innen ein deutlich höheres Risiko eine psychiatrische Erkrankung zu entwickeln als Menschen ohne ADHS. Während männliche ADHS-Patienten insbesondere zwischen 31 und 50 Jahren häufiger an Stimmungserkrankungen wie Depressionen und Angststörungen leiden, treten bei ADHS-Patientinnen häufiger Suchterkrankungen auf [9]. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich in der Auswertung der norwegischen Daten. Auch hier zeigte sich, dass neben der allgemein erhöhten Prävalenz von psychiatrischen Komorbiditäten bei ADHS-Patient:innen, Männer mit ADHS häufiger an Stimmungserkrankungen leiden [10]. Die Ergebnisse der schwedischen Registerstudie bestätigten zudem eine erhöhte Prävalenz von Suchterkrankungen bei weiblichen ADHS-Patientinnen [11].

ADHS und Stigmatisierung

„ADHS-Patient:innen aller Altersgruppen leiden immer wieder unter Formen von Stigmatisierung“ betonte Banaschewski. Wie eine Studie herausfand, ist die Form der Stigmatisierung vor allem von Alter und Geschlecht abhängig. So erfuhren männliche Jugendliche mit ADHS besonders häufig Stigmatisierungen [12]. „Auch die Therapieadhärenz kann durch Stigmatisierungen leiden, wodurch es zu einer unzureichenden Behandlung der ADHS kommen kann“ erläuterte der Experte. Neben der fehlenden Symptomkontrolle sowie Unannehmlichkeiten bei der Dosierung, sorgt vor allem die soziale Stigmatisierung für einen Abbruch der ADHS-Therapie [13]. Eine Studie untersuchte zudem den Einfluss der Eltern im Hinblick auf die Therapieadhärenz von Kindern und Jugendlichen mit ADHS und verdeutlichte, dass die Stigmatisierung der ADHS-Erkrankung durch die Eltern als Prädiktor für den Abbruch von Stimulanzien-Behandlungen betrachtet werden kann [14]. Stigmatisierungen können zudem zu Formen der Selbst-Stigmatisierung führen und den Betroffenen ein Gefühl der Ausgeschlossenheit vermitteln. Das kann sich sowohl auf das Selbstbild als auch auf die Identitätsentwicklung negativ auswirken [15]. Die Stigmatisierung von Erkrankungen wie ADHS wird außerdem durch ihre mediale Darstellung stark beeinflusst. ADHS wird dabei häufig fälschlicherweise als Erkrankung soziokultureller Natur präsentiert, deren Symptome durch falsche Erziehung oder ein niedriges Bildungslevel ausgelöst werden. Hierdurch wird ein negatives Bild in der Gesellschaft produziert und damit zu einer Stigmatisierung von ADHS-Patient:innen beigetragen [16].

 

Quelle:
„ADHD. Diagnosis & Therapy around the world – past, present, future“, 21. September 2022

Literatur:
[1] Faraone SV et al. Neurosci Biobehav Rev. 2021; 128: 789-818
[2] Karalunas SL. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry. 2022; 61(8): 965-967
[3] Australian Evidence-Based Clinical Practice Guideline For Attention Deficit Hyperactivity Disorder (ADHD), 2022, AADPA
[4] S3-Leitlinie „ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen“, 2018; AWMF Registernummer 028-045
[5] Cortese S. Lancet Psychiatry. 2018; 5(9): 727-738
[6] Lam AP et al.. JAMA Netw Open. 2019; 2(5): e194980
[7] Philipsen A et al. JAMA Psychiatry. 2015; 72(12): 1199-1210
[8] Fan HY et al. Sci Rep. 2022; 12(1): 9958
[9] Libutzki B et al. Eur Psychiatry. 2019; 58: 38-44
[10] Solberg BS et al. Acta Psychiatr Scand. 2018; 137(3): 176-186
[11] Chen Q et al. PLoS One. 2018; 13(9): e0204516
[12] O'Driscoll C et al. J Child Psychol Psychiatry. 2012; 53(10): 1054-1062
[13] Gajria K et al. Neuropsychiatr Dis Treat. 2014; 10: 1543-1569
[14] Boudreau A, Mah JWT. J Can Acad Child Adolesc Psychiatry. 2020; 29(1) :26-32
[15] Jones S, Hesse M. J Atten Disord. 2018; 22(1): 92-102
[16] Hinshaw SP. Annu Rev Clin Psychol. 2018; 14: 291-316

 

872 Wörter; 7.261 Zeichen inkl. Leerzeichen

 


Über Takeda

Takeda ist ein forschungsgetriebenes, wertebasiertes und global führendes biopharmazeutisches Unternehmen mit Hauptsitz in Japan. Als größter japanischer Arzneimittelhersteller engagiert sich Takeda in 80 Ländern und Regionen weltweit dafür, Patienten mit wegweisenden medizinischen Innovationen eine bessere Gesundheit und eine schönere Zukunft zu ermöglichen. Takeda fokussiert seine Forschung auf die Therapiegebiete Onkologie, Gastroenterologie, Seltene Erkrankungen und Neuro-wissenschaften – sowohl in eigenen Zentren als auch gemeinsam mit externen Experten. Außerdem investiert Takeda zielge-richtet in Forschungsaktivitäten in den Bereichen Plasmabasierte Therapien und Impfstoffe, um eine noch stabilere und viel-fältigere Pipeline aufzubauen. Dabei steht der Patient mit seinen Bedürfnissen jederzeit im Mittelpunkt: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weltweit engagieren sich täglich dafür, die Lebensqualität von Patienten zu verbessern und die Zusammenarbeit mit Partnern im Gesundheitswesen voranzutreiben. www.takeda.com

Takeda in Deutschland: Mit rund 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gehört Deutschland zu den weltweit größten Landesgesellschaften von Takeda. Von Berlin aus und mit Funktionen in Konstanz steuert Takeda die Geschäftsaktivitäten für den deutschen Markt. Hier ist Takeda in den Bereichen Gastroenterologie, Onkologie, Seltene Erkrankungen (Hämophilie, Immunologie, Stoffwechsel) sowie Neurowissenschaften, Urologie und Chirurgie aktiv. Takeda betreibt in Deutschland zwei Produktionsstätten, die zum globalen Produktionsnetzwerk von Takeda gehören und Menschen in über 100 Ländern mit qua-litativ hochwertigen Arzneimitteln versorgen. Im baden-württembergischen Singen sind rund 1.000 Mitarbeiter auf die Herstellung flüssiger und halbfester sowie gefriergetrockneter Arzneimittel spezialisiert. Im November 2019 hat Takeda in Singen seine erste Dengue-Impfstofffabrik weltweit eingeweiht. Im brandenburgischen Oranienburg stellen über 800 Mitarbeiter feste Arzneimittelformen, Tabletten und Kapseln, her. Am Standort befindet sich auch eine Pilotproduktion für klinische Entwicklungsprojekte. Die Arzneimittelproduktion in Oranienburg kann auf eine Tradition von mehr als 130 Jahren zurückblicken. Mehr Informationen unter www.takeda.de



Kontakt

Takeda Pharma Vertrieb GmbH & Co. KG
Unternehmenskommunikation
Tel. +49 15254941798
[email protected]

Diese Pressemitteilung enthält Hintergrundinformationen unseres Hauses für die Fachpresse zu Teilaspekten einer umfassen-den, breiten Berichterstattung der Fachpresse über ADHS sowie neuen Entwicklungen in der Forschung. Sie soll eine eigene Befassung der Fachpresse mit diesem wichtigen Thema im Rahmen einer unabhängigen Berichterstattung erleichtern und ist nicht zur unveränderten Übernahme bestimmt.