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Belastung durch psychiatrische Komorbiditäten Angst und Depression bei ADHS

10. Januar 2022

Berlin – 11.01.2022. Psychiatrische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen sind häufige Komorbiditäten bei ADHS [1]. Sie sorgen in Diagnostik und Therapie nicht nur für zusätzliche Herausforderungen, sondern können sich auch gegenseitig beeinflussen und die Gesamtkrankheitslast erhöhen. Über den Zusammenhang zwischen ADHS und Depression und ADHS und Angsterkrankungen, die aktuelle Evidenzlage sowie Therapiemöglichkeiten sprachen Prof. Maria Strauß, Leipzig, Dr. Barbara Alm, Mannheim, Prof. Kai Kahl, Hannover, und Dr. Felix Betzler, Berlin, auf einem von Takeda ausgerichteten Symposium im Rahmen des Kongresses der DGPPN in Berlin.

Neben den Herausforderungen, die eine ADHS-Erkrankung mit sich bringt, leiden die Betroffenen in vielen Fällen zusätzlich an einer weiteren psychiatrischen Erkrankung. „Die meisten Patient:innen kommen nicht wegen der ADHS in unsere Ambulanz, sondern wegen der hohen Belastung durch eine andere psychiatrische Komorbidität“ so Strauß. „Durch Symptomveränderungen im Lebenslauf und den Wegfall von protektiven Faktoren im familiären und beruflichen Umfeld, versagen häufig Kompensationsmechanismen und die Krankheitslast wird so groß, dass sich die Patient:innen im Erwachsenenalter schließlich psychiatrisch vorstellen.“

ADHS und komorbide Angststörungen

„ADHS ist ein sehr komplexes Störungsbild sowohl auf Symptom- als auch auf Funktionsstörungsebene“ erklärte Alm zu Beginn ihres Vortrags. „Kommt dazu noch eine komorbide Angststörung, ergeben sich neue Herausforderungen und Risiken für Diagnose und Therapie.“ Eine ADHS-Erkrankung zeigt sich als heterogenes Störungsbild mit Symptomclustern wie Aufmerksamkeitsstörungen, Hyperaktivität und Impulsivität. Zusätzlich zeigen sich bei vielen Patient:innen akzessorische Symptome wie Stimmungsschwankungen, verminderte Stressresistenz und Selbstwertbeeinträchtigung. Problematisch bei der Diagnose und Behandlung einer ADHS ist vor allem die Symptom-Überlappung mit anderen Störungsbildern, was das Risiko für Fehldiagnosen erhöht. Wie Studien belegen, gehören Angststörun-gen zu den häufigsten komorbiden Störungen bei einer ADHS [1,2]. Dabei zeigt sich eine konsistent erhöhte Prävalenz für soziale Phobien bei ADHS mit komorbider Angststörung [2]. Die S3-Leitlinie ADHS empfiehlt eine leitliniengerechte Behandlung aller koexistierenden Störungen. Zudem wird zu einem multimodalen Therapieansatz mit Psychoedukation, Pharmakotherapie sowie Psychotherapie geraten [3]. Eine kognitive Verhaltenstherapie kann bei erwachsenen ADHS-Patient:innen zudem die as-soziierte Angstsymptomatik reduzieren [4]. „Herausfordernd in der Diagnose einer ADHS sind vor allem die Symptomüberlappungen mit anderen Erkrankungen“ so die Expertin. „Umso wichtiger sind umfangreiche Testungen und eine ausführliche Familienanamnese, um ein möglichst homogenes Bild zu erhalten“. Die Symptome leichter bis mittelschwerer Angststörungen können auch durch die Behand-lung der ADHS verbessert werden [4,5].

ADHS und affektive Störungen

„Für Behandler:innen ist die klinische und praktische Differentialdiagnose von ADHS und affektiven Störungen eine große Herausforderung“ so Kahl. „Bei Patient:innen sowohl mit bipolarer Störung als auch mit unipolaren Depressionen sehen wir auch im Erwachsenenalter eine deutliche Häufung von komorbider ADHS [6].“ Insbesondere wenn Patient:innen mit affektiver Störungen unzureichend auf eine Therapie ansprechen und der Behandlungserfolg ausbleibt, sollte an eine mögliche komorbide ADHS gedacht werden. Verschiedene klinische Charakteristika wie die Häufung (hypo)maner Symptome, eine höhere Anzahl depressiver Phasen, andere psychiatrische Komorbiditäten sowie durch Anti-depressiva induzierte Switches können auf eine koexistierende ADHS-Erkrankung hinweisen. Ebenso sollten die Behandler:innen bei atypischen Symptomen wie Hypersomnie, Appetitsteigerung sowie hoher Reizbarkeit an eine komorbide ADHS denken [7]. Die Diagnostik einer ADHS bei einer vorliegen-den bipolaren Störung kann durch eine große Symptomüberlappung der ADHS mit der Hypomanie, den verschiedenen Typen bipolarer Störungen und den Phasenschwankungen über den Tagesverlauf sehr schwierig sein. „Um eine differenzierte Diagnose stellen zu können, führen wir mit allen Patient:innen ein strukturiertes klinisches Interview durch. Dies ermöglicht uns, mögliche komorbide Störungen zu erkennen und zu behandeln.“ betonte der Experte. „Es ist von großer Bedeutung, keine Komorbidität zu früh auszuschließen.“ Zur Behandlung einer bipolaren Störung mit komorbider ADHS-Erkrankung empfiehlt sich erst der Einsatz eines Stimmungsstabilisator und im nächsten Schritt eine leitliniengerechte ADHS-Medikation.[8]. Auch bei einer unipolaren Depression findet sich eine Symptomüberlappung zu einer ADHS-Erkrankung. So ist bei beiden Erkrankungen u.a. eine verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, sowie innere Unruhe bei den Patient:innen zu beobachten [9]. Die Therapie beider Erkrankungen sollte vom Schweregrad der Depression abhängig gemacht werden. Bei einer mittelgradigen bis schweren depressiven Episode sollte zunächst die Depression behandelt werden. Handelt es sich um eine leichte depressive Episode oder sogar um eine euthyme Phase, kann entweder zuerst die Depression oder die ADHS leitliniengerecht behandelt werden [5]. Pharmakologisch wird hierbei neben einer Behandlung mit Buproprion zu einer Kombinationstherapie aus einem Antidepressivum und einer langwirksamen Stimulanz bzw. einem Antidepressivum einer kognitiven Verhaltenstherapie geraten [8].

Angststörung als Begleiterkrankung einer ADHS: Eine Fallvorstellung

„Wir sehen in der Praxis häufig Fälle psychischer Erkrankungen wie Depression und Angststörungen deren Diagnose und damit auch Behandlung einige Jahre dauert“ so Betzler zu Beginn seines Vortrags. „Leidet der Patient zusätzlich an einer unentdeckten ADHS, bleibt der Behandlungserfolg häufig aus.“ Um den herausfordernden Weg zu einer Diagnose und damit zu einer Therapie deutlich zu machen, stellte der Experte ein Fallbeispiel aus der Praxis vor. Vorstellig wurde eine 48-jährige Patientin, die von diffusen, allgegenwärtigen Ängsten, einem niedrigem Selbstwert und sozialer Einsamkeit bereits in der Kindheit berichtete. Zwar schaffte sie den Schulabschluss, nach mehreren Anläufen einen Studienabschluss sowie die Ausübung verschiedener beruflicher Tätigkeiten, scheiterte jedoch aufgrund von großen Ängsten und der ausgeprägten Selbstwertproblematik sowie an ADHS-bezogenen Symptomen, die damals als solche nicht erkannt wurden. Neben einer generalisierten Angststörung sowie einer sozi-alen Phobie wurde außerdem eine rezidivierende depressive Störung diagnostiziert. Ab ihrem 20. Lebensjahr wurde die Patientin mit unterschiedlichen Antidepressiva behandelt, wobei Escitalopram schließlich die beste Kosten-Nutzen-Bilanz aufzeigte, obwohl die Patientin von emotionaler Abstumpfung und einem Libidoverlust berichtet. Nach ihrer Heirat mit 35 Jahren bekam die Patientin zwei Söhne im Abstand von 2 Jahren. Beide Kinder fielen schon früh durch aggressives, impulsives und hyperaktives Verhalten auf. Nach der kinderärztlichen Vorstellung wurde beim älteren Sohn atypischer Autismus sowie ADHS, beim jüngeren Sohn eine schwergradige ADHS diagnostiziert. Durch die ADHS-Diagnosen beider Söhne, kam nun auch der Mutter der Verdacht, selbst unter einer ADHS-Erkrankung zu leiden. Nach der Vorstellung und eindeutigen ADHS-Diagnose wurde diese schließlich leitliniengerecht mit Lisdexamfetamin behandelt, wodurch die ADHS-Symptome der Patientin spürbar zurückgingen. Sie kann nun sowohl ihren Alltag, ihre Arbeit als auch soziale Situationen besser bewältigen, berichtet von einem steigenden Selbstvertrauen sowie einer Abnahme von Panik, Angst und Überforderungserleben. Zudem konnte Escitalopram ausgeschlichen werden. „Dieser Praxisfall zeigt, dass das Erkennen und Behandeln einer ADHS-Erkrankung nicht nur die ADHS-Symptome lindern und dadurch die Lebensqualität steigern, sondern zudem auch positive Auswirkungen auf vorliegende Komorbiditäten haben kann“ resümierte Betzler.

 

Quelle:
Symposium: „Keine Angst vor der Angst und Depression bei ADHS“ im Rahmen des DGPPN (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde in Deutschland e.V.) Kongress am 25.11. 2022; Veranstalter Takeda, Berlin

Literatur:
[1] Deberdt W et al. BMC Psychiatry 2015; 15: 242
[2] Sobanski E et al. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci. 2007; 257(7):371-377
[3] S3-Leitlinie „ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen“, 2018; AWMF Registernummer 028-045
[4] Pliszka SR. J Atten Disord. 2019; 23(3): 203-205
[5] Kooij JJS et al. Eur Psychiatry. 2019; 56:14-34
[6] Sandstrom A et al. Acta Psychiatr Scand. 2021; 143(5): 380-391
[7] Vannucchi G et al. J Affect Disord. 2019; 246: 346-354
[8] Bond DJ et al. Ann Clin Psychiatry. 2012; 24(1): 23-37
[9] Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression – Langfassung, Version 3.0. 2022 [cited: 2022-12-20]. DOI: 10.6101/AZQ/000493. www.leitlinien.de/depression


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