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Klinische Aspekte einer ADHS Psychiatrische Komorbiditäten und Trans*Identität

16. Juni 2023

Berlin – 16/17.06.2023. Bei einer adulten ADHS treten in vielen Fällen komorbide psychiatrische Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen sowie Suchterkrankungen auf [1]. Zudem sind Psychiater:innen vermehrt mit Identitätsproblemen ihrer Patient:innen in der Praxis konfrontiert. Über den Zusammenhang zwischen ADHS und Depression sowie Angst- und Suchterkrankungen und einer ADHS bei Trans*Identität sprachen Expert:innen im Rahmen der von Takeda ausgerichteten hybriden Fortbildungsveranstaltung „FOKUS ADHS“ 2023.

Psychiatrische Erkrankungen treten häufig begleitend zu einer ADHS-Erkrankung auf [1]. Wie die CoCA-Studie, die die Daten von über 4 Millionen Versicherten in Deutschland auswertete, belegt, sind vor allem depressive Episoden und depressive Anpassungsstörungen häufige Komorbiditäten einer ADHS [2]. „Die Studie zeigt, dass in der Altersgruppe von 18-50 Jahren circa 50% der ADHS-Patient:innen von depressiven Episoden sowie Anpassungsstörungen betroffen sind“ betonte Prof. Andreas Reif, Frankfurt am Main. Insgesamt haben ADHS-Patient:innen ein circa. 5-mal erhöhtes Risiko für Depressionen. Das Geschlechterverhältnis ist dabei ausgeglichener im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung [2]. Belegt ist zudem, dass Patient:innen mit ADHS-Erkrankung ein deutlich erhöhtes Risiko haben an einer komorbiden bipolaren Störung zu erkranken [3]. Diese tritt bei komorbider ADHS meistens früher und mit mehr Stimmungsepisoden auf [4]. „Kurz gefasst kann man festhalten, dass der Phänotyp einer bipolaren Störung im Vorhandensein von ADHS schwerer zu sein scheint als ohne ADHS“ so Reif. Mit zunehmendem Schweregrad der ADHS steigt außerdem auch die Depressionsprävalenz [5]. Bei einer vorliegenden ADHS mit komorbider Depression zeigt sich diese besonders häufig als gemischte bzw. atypische Depression und beginnt häufiger vor dem 20. Lebensjahr als bei Patient:innen ohne ADHS. Zudem ist sie mit einer höheren Anzahl an (hypo)manen Symptomen assoziiert. Hinzu kommen mehr affektive Episoden, mehr bipolare Specifier sowie mehr andere psychiatrische Komorbiditäten [6]. „Die Depression zeigt sich bei einer begleitenden ADHS-Erkrankung ‚bipolar-artig‘“ so der Experte. Aus pharmakotherapeutischer Sicht rät der Experte die Depression gemäß Leitlinie zu therapieren und im Anschluss die ADHS-Diagnose zu bestätigen und leitliniengerecht zu behandeln. In der Therapie empfiehlt die S3-Leitlinie eine multimodale Herangehensweise für die ADHS, die sich aus Pharmakotherapie, Psychotherapie sowie Soziotherapie zusammensetzt [7].

ADHS und komorbide Angststörungen

„In der Erwachsenenpsychiatrie stellen sich die Patient:innen selten wegen einer ADHS, sondern meistens aufgrund einer komorbiden psychiatrischen Erkrankung vor“ betonte Prof. Maria Strauß, Leipzig. „Da sich die Symptome einer ADHS mit den Symptomen anderer psychiatrischer Erkrankungen überlappen können, sollte der Fokus auf einer präzisen Differentialdiagnostik liegen.“ Eine unbehandelte ADHS kann auch im Erwachsenenalter erhebliche Folgen haben. Neben einer niedrigen Lebensqualität [8] zeigen sich häufig niedrigere schulische und akademische Abschlüsse [9], vermehrte gesundheitliche Probleme sowie eine erhöhte Mortalität beispielsweise durch Unfälle im Straßenverkehr [10]. Angststörungen gehören zu den häufigsten Komorbiditäten bei ADHS [11]. Die Überlappung der Symptome kann dabei die Differenzierung und damit die Diagnose der beiden Erkrankungen deutlich erschweren [12]. Neben einer generalisierten Angststörung leiden ADHS-Betroffene in vielen Fällen unter einer sozialen Phobie [13]. „Die Wahrnehmung von Symptomen einer ADHS, vor allem der Unaufmerksamkeit, kann bei Patient:innen zu einem maladaptiven Verhalten im sozialen Umfeld führen. Das kann wiederum Kritik und Demütigung von außerhalb auslösen, wodurch bei den Betroffenen Scham, Hilflosigkeit und ein Gefühl der Unzulänglichkeit entstehen kann“ erläuterte die Expertin. „Tritt dies immer wieder auf, können Überzeugungen und andere kognitive Verzerrungen bei den Betroffenen entstehen, die in einer sozialen Phobie resultieren.“ In der Behandlung kann sowohl eine Hierarchisierung der Erkrankungen als auch eine simultane Behandlung beider Entitäten sinnvoll sein und sollte individuell entschieden werden.

ADHS und Partydrogen

Unter Erwachsenen mit ADHS sind circa ein Drittel von einer komorbiden Substanzgebrauchsstörung betroffen [14]. Wie eine Studie, die den Drogenkonsum in der Berliner Partyszene sowohl quantitativ als auch qualitativ untersuchte, feststellte, werden vor allem Alkohol, Nikotin und Cannabis konsumiert. Zudem zeigte die ermittelte 30-Tage-Prävalenz, dass circa 50% der Befragten in den letzten 30 Tagen Amphetamin und/oder MDMA konsumierten [15]. „Das ist deutschlandweit beispiellos“ so Dr. Felix Betzler, Berlin, der die Studie durchführte. Neben den Substanzen, wurde zudem das Alter bei Erstkonsum ermittelt. Hier zeigte sich, dass Amphetamine und MDMA durchschnittlich erstmals in den frühen 20ern konsumiert werden [15]. Wie das Konsensuspaper von 2018 zur Behandlung von ADHS mit komorbider Suchterkrankung (SUD) erläuterte, wird eine gleichzeitige Behandlung von ADHS und SUD mit einer Kombination aus Pharmako- und Psychotherapie empfohlen [16]. „Selbst bei einer Stimulanzienabhängigkeit kann nach aktuellen Daten mit Stimulanzien behandelt werden. In der Behandlung von ADHS mit komorbider Suchterkrankung sollte durch eine Plausibilitätsprüfung der verschriebenen Menge trotzdem überprüft werden, dass kein Missbrauch der Stimulanzien erfolgt“ betonte der Experte.

ADHS und Trans*Identität

„Das Thema Trans*Identität bei Kindern und Jugendlichen wird in Fachkreisen sehr intensiv diskutiert, denn Kliniker:innen sind zunehmend mit solchen Fällen konfrontiert“ erläuterte Prof. Dr. Florian Zepf, Jena. „Bei einer Transgender- bzw. einer Trans*Identität liegt der Fokus dabei nicht nur auf den körperlichen und/oder ggfs. sexuellen Aspekten, sondern auch auf sozialen Aspekten“. Wie durch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes festgestellt, kommt es vermehrt zu Diskriminierungen von Trans*-Menschen am Arbeitsplatz. Zudem sind trans*idente Personen überdurchschnittlich oft arbeitslos oder arbeiten unter ihrer eigentlichen Qualifikation [17]. „Hier könnte man im Bereich der beruflichen Chancen ggfs. eine Parallele zum Themenbereich ADHS sehen, denn auch eine ADHS kann sich negativ auf die Schullaufbahn und spätere Karriere auswirken“ so der Experte. Derzeit gibt es nur wenige Studien zu Trans*Identität und ADHS, es gibt jedoch erste Hinweise für eine ggfs. höhere Anzahl von ADHS-Patient:innen in Inanspruchnahme-Populationen bzgl. Trans*Identität. In einer retrospektiven australischen Studie, welche Neu-Überweisungen, soziodemographische und klinische Charakteristika, medizinische und psychiatrische Diagnosen bei trans*identen Personen untersuchte, zeigte sich, dass 4,3% der Personen mit Trans*Identität an einer ADHS litten, wohingegen in der australischen Population eine ADHS-Prävalenz von ca. 1,1% berichtet wurde. Ein ähnliches Bild zeigte sich für Störungen aus dem autistischen Spektrum. Auch andere psychiatrische Erkrankungen traten hier gehäuft auf [18]. „Im klinischen Alltag sollte darauf geachtet werden, psychische oder psychiatrische Symptome bei Trans*identität nicht ausschließlich im Konzept der Transgender-Identität zu betrachten“ betonte Zepf. Eine gleichzeitige ADHS-Symptomatik bei Trans* dentität ist möglich, ein mögliches Zusammenspiel, d.h. inwieweit ADHS-Symptome wie zum Beispiel Impulsivität bei Trans*Identität ggfs. zu bestimmten Verhaltensweisen beitragen, sollte aber immer individuell abgeklärt werden.“

Quelle:

„Fokus ADHS“ 2023, 16.-17. Juni 2023 Literatur:

Literatur:

[1] Banaschewski T et al. Dtsch Arztebl Int 2017; 114(9): 149-159

[2] Hartman CA et al Neurosci Biobehav Rev. 2023;151:105209

[3] Schiweck C et al. Neurosci Biobehav Rev. 2021;124:100-123

[4] Bartoli F, Callovini T, Cavaleri D, et al. Aust N Z J Psychiatry. 2023; 57(1): 34-48

[5] Simon V, Czobor P, Bitter I. Eur Psychiatry. 2013; 28(5): 308-314

[6] Vannucchi G, Medda P, Pallucchini A, et al. J Affect Disord. 2019; 246: 346-354

[7] S3-Leitlinie „ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen“, 2018; AWMF Registernummer 028-045

[8] Grenwald-Mayes G. J Atten Disord. 2002; 5(4): 211-222

[9] Kooij SJ, Bejerot S, Blackwell A, et al. BMC Psychiatry. 2010;10:67

[10] Aduen PA, Kofler MJ, Cox DJ, J Psychiatr Res. 2015; 64: 59-66.

[11] Sobanski E et al. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci. 2007; 257(7): 371-377

[12] Koyuncu A et al. Curr Psychiatry Rep. 2022; 24(2): 129-140

[13] Kessler RC et al. Am J Psychiatry. 2006; 163(4): 716-723

[14] Chen Q et al. PLoS One. 2018; 13(9): e0204516

[15] Betzler F, et al. Eur Addict Res. 2019; 25(6): 283-292

[16] Crunelle CL et al. Eur Addict Res. 2018; 24(1): 43-51

[17] Antidiskriminierungsstelle des Bundes: „Benachteiligung von Trans*Personen, insbesondere im Arbeitsleben“, 2008 [18] Cheung AS et al. Transgend Health. 2018; 3(1): 229-238

980 Wörter; 7.714 Zeichen inkl. Leerzeichen

Über Takeda

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EXA/DE/NS/0704