Barrierefreiheit aktivierenBarrierefreiheit aktivieren

ADHS und Komorbiditäten bei Erwachsenen Differenzialdiagnostische und therapeutische Ansätze

24. Mai 2022
Berlin, 25.05.2022 – Die Mehrzahl der ADHS-Patient:innen haben eine oder mehrere komorbide Erkrankungen [1]. Eine Differentialdiagnose ist besonders relevant, um eine ADHS sowie weitere psychische oder neurologische Erkrankungen zu erkennen und richtig behandeln zu können. Über diagnostische und therapeutische Ansätze sowie Herausforderungen bei Komorbiditäten sprachen Experten im Rahmen der von Takeda ausgerichteten hybriden Fortbildungsveranstaltung „Fokus ADHS“.

„Bei ADHS handelt es sich um eine Spektrumsstörung mit charakteristischen Kernmerkmalen wie Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität vermehrter Impulsivität und gestörter kognitiver Kontrolle, die sich auch bei einer Reihe von anderen Erkrankungen und Störungen finden“, erläuterte Prof. Alexander Münchau, Lübeck, im Rahmen seines Vortrags [2]. „Das hat Auswirkungen auf differenzialdiagnostische Überlegungen.“ Bei psychiatrischen und neuropsychiatrischen Störungen besteht eine starke Überlappung des genetischen Profils [2]. Die Kategorien, auf denen die Einordnung dieser Störungen beruhen, sind ungenau. Der Experte empfiehlt daher eher eine dimensionale Annäherung an diese verschiedenen Störungen. Epilepsie und Depression sind zwei Beispiele für Erkrankungen, die häufig gemeinsam mit einer ADHS auftreten.

Aufmerksamkeitsstörung bei Epilepsie

PD Dr. Daniel Alvarez-Fischer, Lübeck, sprach über den Zusammenhang von ADHS und Epilepsie bei Erwachsenen. Ein Drittel aller Patient:innen mit Epilepsie haben eine komorbide ADHS [3]. Die Komorbidität der beiden Erkrankungen geht mit einigen Herausforderungen und Risiken einher. Unter anderem sind psychische Komorbiditäten bei Epilepsie mit einem vierfach erhöhten Risiko für Arzneimittelresistenz sowie einer vorzeitigen Sterblichkeit assoziiert. Es bestehen zudem höhere Raten physischer Komorbidität, Polypharmazie und neuropsychiatrischer Nebenwirkungen von Medikamenten [3].

„Ein Screening auf psychische Komorbiditäten – einschließlich einer ADHS – ist für Epilepsie-Patient:innen deshalb entscheidend“, so der Experte. Eine Aufmerksamkeitsstörung kann sich sowohl bei einer ADHS als auch bei einer Epilepsie zeigen [4]. Darüber hinaus gibt es andere Merkmale der Epilepsie, die mit einer ADHS assoziiert sind. Besonders häufig liegt bei einer Epilepsie der unaufmerksame Typ der ADHS vor. Beide Erkrankungen können mit einer Entwicklungsstörung einhergehen. Auch schon vor der Diagnose der Epilepsie brauchten viele Kinder zum Beispiel besondere Unterstützung in der Schule [5]. Zudem können einige Antiepileptika eine Aufmerksamkeitsstörung hervorrufen oder zu einer gesteigerten Impulsivität führen [6]. Hier ist besondere Vorsicht geboten. „Bei einer Epilepsie sollte die ADHS in jedem Fall behandelt werden“, so der Experte. „Stimulanzien steigern nicht die Anfallsfrequenz“, betonte er. „Das gilt für alle Geschlechter und Altersgruppen sowie für Betroffene mit weiteren psychischen oder neurologischen Erkrankungen“. Eine Epilepsie solle Patient:innen nicht von einer ADHS-Medikation ausschließen. 

Besonderheiten bei Depression mit komorbider ADHS 

Die Depression ist ebenfalls eine häufige Komorbidität bei ADHS. Das erläuterte Prof. Andreas Reif, Frankfurt, im Rahmen seines Vortrags. Erwachsene ADHS-Patient:innen haben ein 5-mal höheres Risiko, an einer Depression zu erkranken [7]. Umgekehrt ist das Risiko einer unerkannten ADHS bei Patient:innen mit Depressionen dreifach erhöht [8]. 

„Bei einer Depression mit komorbider ADHS gibt es einige Besonderheiten zu beachten“, erläuterte Reif weiter. Die Schwere der ADHS-Symptomatik ist zum einen mit der Prävalenz der Depression as-soziiert. Je schwerer die ADHS ausgeprägt ist, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, an einer Depression zu erkranken. Eine komorbide Depression bei einer ADHS ist dabei ein relevanter Faktor für die Einschränkung der Lebensqualität [9]. Reif stellte darüber hinaus die Bridge-2-MIX Studie vor, die den Phänotyp der Depression bei ADHS untersuchte. Hier konnte gezeigt werden, dass sich die Depression bei ADHS häufig wie eine bipolare Störung verhält. Zum Beispiel ist ADHS mit einer höheren Zahl an (hypo)manen Symptomen in der Depression assoziiert und es findet sich häufiger eine gemischte oder atypische Depression. Zudem kommt es bei einer Depression mit ADHS zu mehr affektiven Episoden, mehr bipolaren Specifiern und einer höheren Anzahl an anderen psychischen Komorbiditäten [10].

Eine ADHS-Diagnose kann auch in einer depressiven Episode begonnen werden, sollte jedoch euthym bestätigt werden. Das diagnostische Assessment sollte laut Reif die DSM-5.Kriterien, WURS, CAARS sowie DIVA beinhalten. Der Experte empfiehlt eine multimodale Therapie der ADHS und Depression. In der Regel wird die Depression zuerst gemäß der Leitlinie behandelt. Danach folgt die Therapie der ADHS. In der Psychopharmakotherapie der Depression gibt es einige Medikamente, die wegen einer potenziell gleichzeitigen Beeinflussung der ADHS besonders geeignet sind. Hierzu zählen Venlafaxin [11], Bupropion [12] und Nortriptylin [13]. Die drei Säulen der ADHS-Behandlung, die auch in der S3-Leitlinie für ADHS empfohlen werden, sind Psychopharmakotherapie, Psychoedukation und Psychotherapie sowie Soziotherapie. Langwirksame Stimulanzien, wie zum Beispiel Lisdexamfetamin (Elvanse Adult®), sind laut S3-Leitlinie das Medikament der ersten Wahl bei adulter ADHS [14]. Die Kombination von Stimulanzien und Antidepressiva ist in der Regel unproblematisch. Serotoninsyndrome mit SSRI sind nach Erfahrung von Reif allerdings möglich, aber sehr selten. MAO-Hemmer sind in der Kombination mit Stimulanzien kontraindiziert.

 

Quelle:
„Fokus ADHS“, 08.-09. April 2022


Literatur:
[1] Banaschewski T et al. Dtsch Arztebl Int 2017; 114(9): 149-159
[2] Cross-Disorder Group of the Psychiatric Genomics Consortium. Cell 2019; 179(7): 1469-1482.e11
[3] Mula M et al. Neurol Clin Pract 2021; 11(2): e112–e120
[4] Brissart H et al. Rev Neurol 2019; 175(3): 135-140
[5] Hermann B et al. Brain 2007; 130(12): 3135-48
[6] Verotti A et al. Clin Drug Invetig 2018; 38(1): 1-8
[7] Libutzki B et al. Eur Psychiatry 2019; 58: 38-44
[8] Sandstrom A et al. Acta Psychiatr Scand 2021; 143(5): 380-391
[9] Seo JY et al. Psychiatry Investig 2014; 11(2): 131-136
[10] Vannucchi G et al. J Affect Disord 2019; 246: 346-354
[11] Wilens TE et al. Expert Rev Neurother 2011; 11(10): 1443-65
[12] Maneeton N et al. Psychiatry Clin Neurosci 2011; 65(7): 611-7
[13] Prince JB et al. J Child Adolesc Psychopharmacol 2000; 10(3): 193-204
[14] S3-Leitlinie „ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen“, 2018; AWMF Registernummer 028-045


735 Wörter; 5.705 Zeichen inkl. Leerzeichen

 


Über Takeda

Takeda ist ein global führendes, wertebasiertes, forschendes, biopharmazeutisches Unternehmen mit Hauptsitz in Japan. Wir haben uns der Erforschung und Bereitstellung lebensverändernder Therapien verschrieben. Dabei werden wir von unserer Verpflichtung gegenüber Patienten, unseren Mitarbeitenden und der Umwelt geleitet. Takeda fokussiert seine Forschung auf vier Therapiegebiete: Onkologie, Seltene Genetische Erkrankungen & Hämatologie sowie Neurowis- senschaften und Gastroenterologie. Außerdem investiert Takeda zielgerichtet in Forschungsaktivitäten in den Berei- chen Plasmabasierte Therapien und Impfstoffe. Wir konzentrieren uns darauf, hochinnovative Medikamente zu entwi- ckeln, die dazu beitragen, das Leben von Menschen zu verbessern. Wir erweitern die Grenzen neuer Behandlungsmög- lichkeiten und nutzen unsere Forschungs- & Entwicklungsfähigkeiten, um eine noch stabilere und vielfältigere Pipeline aufzubauen. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in rund 80 Ländern engagieren sich für eine bessere Lebensqualität von Patienten weltweit, und wir arbeiten dabei mit unseren Partnern im Gesundheitswesen eng zusammen. Weiterfüh- rende Informationen unter: www.takeda.com

Takeda in Deutschland: Mit rund 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gehören wir zu den weltweit größten Landes- gesellschaften von Takeda. Der Geschäftssitz befindet sich in Konstanz. Von Berlin aus steuern wir die Vertriebsakti- vitäten für den deutschen Markt, auf dem wir seit rund 40 Jahren vertreten sind. Hier sind wir spezialisiert auf Gastro- enterologie, Onkologie, Seltene Erkrankungen (Hämophilie, Immunologie, Stoffwechselerkrankungen) und Neurowissen- schaften. Takeda betreibt in Deutschland zwei Produktionsstätten, die zu unserem globalen Produktionsnetzwerk gehö- ren und Menschen mit qualitativ hochwertigen Arzneimitteln versorgen. Im baden-württembergischen Singen sind rund 1.000 Mitarbeitende auf die Herstellung flüssiger und halbfester sowie gefriergetrockneter Arzneimittel spezialisiert. Im November 2019 haben wir in Singen unsere Impfstofffabrik eingeweiht. Im brandenburgischen Oranienburg stellen über 800 Menschen feste Arzneimittelformen (Tabletten und Kapseln) her. An diesem Standort befindet sich auch eine Pilot- produktion für klinische Entwicklungsprojekte. Die Arzneimittelproduktion in Oranienburg kann auf eine Tradition von mehr als 135 Jahren zurückblicken. www.takeda.com


Kontakt

Takeda Pharma Vertrieb GmbH & Co. KG
Unternehmenskommunikation Tel. +49 15254941798
[email protected]

 

Diese Pressemitteilung enthält Hintergrundinformationen unseres Hauses für die Fachpresse zu Teilaspekten einer umfassen- den, breiten Berichterstattung der Fachpresse über ADHS sowie neuen Entwicklungen in der Forschung. Sie soll eine eigene Befassung der Fachpresse mit diesem wichtigen Thema im Rahmen einer unabhängigen Berichterstattung erleichtern und ist nicht zur unveränderten Übernahme bestimmt.