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Das hereditäre Angioödem (HAE)

Das hereditäre Angioödem (HAE) ist eine seltene genetische Erkrankung, die schätzungsweise 1 von 50.000 Menschen weltweit betrifft. Das bedeutet für die Schweiz, dass hier zu Lande etwa 170 Personen von HAE betroffen sind.

Die Erkrankung manifestiert sich durch HAE-Attacken - plötzlich, wiederkehrende Schwellungen (Ödeme) der Haut und Schleimhäute an verschiedenen Bereichen des Körpers.

Allgemein sind Häufigkeit, Dauer, Schwere, Lokalisation und die Auslöser der HAE Attacken sehr unterschiedlich und können kaum vorhergesagt werden.

Zurzeit gibt es keine bekannte Heilungsmöglichkeit für HAE. Es ist jedoch möglich die Symptome einer Attacke zu behandeln und vor erneuten Attacken vorzubeugen.

Was sind Ursachen für HAE?

HAE wird hauptsächlich durch ein fehlerhaftes Gen verursacht, welches ein bestimmtes Protein im Blut kontrolliert, den sogenannten C1-Esterase-Inhibitor (C1-INH). Normalerweise reguliert der C1-INH die körpereigene Produktion des Hormons Bradykinin. Dieses spielt unter anderem eine wichtige Rolle bei der Erweiterung und Durchlässigkeit von Blutgefässen, beispielsweise während einer Entzündungsreaktion.

Betroffene haben meistens entweder eine zu geringe Konzentration des C1-INHs oder das C1-INH-Protein ist nicht richtig funktionsfähig*. Während einer HAE-Attacke kann deshalb das C1-INH-Protein die Bradykininfreisetzung nicht mehr in ausreichendem Mass kontrollieren und es kommt zu einer Erhöhung des Bradykininspiegels im Blut. Dies führt schliesslich zu einer erhöhten Durchlässigkeit der Blutgefässe und die ins Gewebe austretende Flüssigkeit resultiert in einem schmerzlichen Ödem.

Das fehlerhafte Gen ist vererbbar, weshalb die Familiengeschichte bei der Diagnose eine entscheidende Rolle spielt. HAE kann jedoch auch ohne Vererbung auftreten. Bis zu 25 Prozent der diagnostizierten HAE-Fälle beruhen auf einer neuen Veränderung (Spontanmutation) des C1-INH-Gens. Auch diese Betroffenen können das fehlerhafte Gen an ihre Kinder weitervererben.

Welche Trigger für HAE Attacken gibt es?

Die meisten HAE-Attacken treten plötzlich auf oder haben einen bestimmten Trigger als Auslöser, welcher jedoch für jede/n Patient*in sehr unterschiedlich sein kann.

Von Betroffenen wurden beispielsweise Operationen, Zahnbehandlungen, Angstzustände, Traumata, Infektionen, Erkältungen, Hormontherapien und auch bestimmte Nahrungsmittel als Trigger für ihre Attacken angegeben.

Bei Frauen scheint zudem die Monatsblutung oder eine Schwangerschaft einen Einfluss auf die Häufigkeit und die Stärke der Attacken zu haben. Diese können sowohl erhöht also auch reduziert sein.

Auch die Einnahme von Medikamenten kann zu HAE-Attacken führen. HAE-Betroffene sollten daher gegebenenfalls mit ihrem/r Arzt/Ärztin über ihre Medikation sprechen.

Was sind typische Symptome bei HAE?

Normalerweise entwickeln sich die Schwellungen einer HAE-Attacke langsam über mehrere Stunden. Während der ersten 24 Stunden werden die Schwellungen langsam stärker und nehmen nach zwei bis fünf Tagen wieder ab. Die Attacken können aber auch mit plötzlichen und starken Schmerzen beginnen, ohne erkennbare Anzeichen von Ödemen.

Ödeme der Haut betreffen normalerweise die Extremitäten, das Gesicht und den Genitalbereich. Die hierbei auftretenden Schmerzen und Entstellungen sind für Betroffene in der Regel belastend und teilweise traumatisch. Häufig kommt es zu einem Spannungsgefühl auf der Haut, manchmal zu Blasen und zu einer eingeschränkten Beweglichkeit des betroffenen Bereiches.

Bei Magen-Darm-Attacken können kolikartige Schmerzen, Krämpfe, Erbrechen und Durchfall auftreten. Da diese Symptome häufig auch bei anderen Erkrankungen auftreten, wird bei HAE- Betroffenen, die an Magen-Darm-Attacken leiden, oft eine falsche Diagnose gestellt.

Ödeme im Rachenraum, der Nase oder der Zunge sind potentiell lebensbedrohlich, da in schweren Fällen die Luftwege durch die Schwellung blockiert werden können. Zudem sind hier Schluckbeschwerden, Heiserkeit, Veränderungen der Stimme oder Kurzatmigkeit häufige Symptome. Betroffene mit diesen Ödemen sollten unverzüglich ärztliche Hilfe aufsuchen.

Wie wird HAE diagnostiziert?

Der erste Schritt zur Diagnose ist die Anzeichen von HAE zu erkennen. Ein Verdacht auf HAE besteht vor allem dann, wenn der/die Betroffene schon häufiger Ödemattacken in der Vergangenheit aufwies und im Weiteren eine oder mehrere der folgenden Faktoren zutreffen: HAE ist in der Familiengeschichte vorgekommen, Symptome haben schon im Kindes/-Jugendalter begonnen (meistens vor dem 20. Lebensjahr), wiederkehrende und schmerzhafte abdominale Symptome treten auf, prodromale Symptome sind vorhanden, Ödeme in den oberen Atemwegen treten auf und/oder die Attacke ähnelt einer allergischen Reaktion, jedoch ohne Urtikaria und/oder fehlende Wirkung von Antihistiminika oder Kortison.

Anschliessend können verschiedene Laboruntersuchungen, wie das Messen der C1-INH Funktion und Proteinmenge, durchgeführt werden, um die Diagnose von HAE zu bestätigen.

Die Diagnose von HAE ist jedoch nicht immer einfach, weshalb es zu Fehldiagnosen kommen kann und es nicht ungewöhnlich ist, dass von den initialen Symptomen bis zur Diagnose mehr als zehn Jahre vergehen.

Der Grund, weshalb HAE oft falsch diagnostiziert wird, ist, dass die Symptome denen vieler anderer bekannten Erkrankungen, wie Allergien oder zum Beispiel einer Blinddarmentzündung, ähneln. Oftmals wissen die Betroffenen auch nicht über frühere HAE-Fälle in der eigenen Familie.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es drei Möglichkeiten HAE zu behandeln: die Akutbehandlung, Kurzzeitprophylaxe und Langzeitprophylaxe. Zu Akutbehandlungen zählen HAE-Medikamente, die zur grundsätzlichen Behandlung vorhandener Attacken eingesetzt werden. Eine Kurzzeitprophylaxe dient zur Vermeidung von HAE-Attacken bei Situationen, in welchen das HAE-Attackenrisiko erhöht ist. Die Langzeitprophylaxe dient zur langfristigen vorbeugenden Behandlung der HAE-Attacken.

Welche Form der Therapie für Betroffene geeignet ist, ist sehr individuell und abhängig von vielen Faktoren und sollte deshalb zusammen mit dem Arzt oder der Ärztin ermittelt werden.

*Selten führt auch eine Mutation in einem anderen Gen zu HAE.

C-ANPROM/CH/HAE/0023-12/2022